Eines vorweg: Wir sind kein Fan davon, über Dritte, statt mit ihnen zu sprechen. Aber auf unseren facebook Hinweis wurde überhaupt gar nicht reagiert wurde (im Gegenteil, man postet es einfach immer wieder neu, sodass sowohl mein Kommentar, wie auch mein “Like” in Form eines traurigen Smileys, verschwinden). Auf Nachfrage per Mail reagierte man wie folgt:
vielen Dank für Ihr Nachricht und die darin angesprochenen Kritikpunkte. Wir freuen uns sehr über Ihr Feedback und Ihr Engagement zum Wohl der Tiere. Gerne geben wir Ihr Feedback an unsere Fachabteilung weiter. Diese nehmen die Punkte in die Planungen für unser Sortiment mit auf. Mit freundlichen Grüßen/Kindest regards,
Thomas Strasser Customer Care
Da sowohl unsere Facebookkommentare wie auch unsere Mail und die Produktbewertung mehrere Monate her sind, hatte das Unternehmen Zeit genug, sich anderweitig zu äußern oder das Produkt zu bearbeiten. Da es nicht geschehen ist, werden wir nun hier unsere persönliche Meinung schreiben.
Wie ihr sicherlich hier auf der Homepage, im Buch oder im YouTube Kanal erfahren habt, legen wir sehr viel Wert auf eine Haltung, die die Tiere vor Krankheit, Feinden und unnatürlichen Umständen schützt, aber -soweit möglich- ermöglichen soll, sich der Art entsprechend entfalten und ähnliche Bedingungen wie im unberührten natürlichen Lebensraum vorfinden zu können. Eine art-gerechte Haltung eben.
Wir schauen uns das Zoomed Schildkrötenhaus einmal genauer an und beurteilen es.
- Die Größe
Auf dem Foto sehen wir zwei (fast) adulte Landschildkröten (Russische Vierzehenschildkröten). Unsere grobe Faustregel besagt, dass wir jungen Schildkröten 1-6m² Freigehege empfehlen, bei adulten sprechen wir von einer Empfehlung von 10m² für eine zzgl. 5m² für jede weitere Schildkröte.
Das Gehege von Zoomed hat eine Größe von 91 x 61 x 30,5cm und entspricht somit nicht einmal einem Quadratmeter. Und in diesem kleinen Raum ist das “Haus” bereits integriert. Ich hoffe sehr, dass jeder, der sich mit dem Bewegungsdrang der Tiere beschäftigt hat, allein beim Anblick dieser Maße spürt, dass es nichts mit artgerechter Haltung zu tun hat, nicht einmal, wenn wir dies für eine Notlösung einplanen. Die gesetzlichen Mindestanforderungen werden zwar erfüllt, aber diese hat vermutlich jemand festgelegt, der absolut keine Ahnung von den Bedürfnissen hat.
- Gestaltung/ Einrichtung
Wir alle wissen, dass Produktbilder nur ein “Symbolbild” darstellen, trotzdem aber gehen hier Botschaften auf die Reise, die einerseits ein falsches Bild zur Haltung vermitteln, andererseits den wirtschaftlichen Nutzen ankurbeln sollen. Jemand, der dieses Bild erstellte, mag vielleicht im Marketing gut sein, nicht jedoch im Fach der artgerechten Schildkrötenhaltung.
Das Gute: Es befindet sich darin eine Wasserschale, in welche die Schildkröte komplett hinein passt. Allerdings nimmt diese Wasserschale ein Viertel des Außenbereichs ein, sodass zur freien Bewegung 3/4 übrig bleiben. Ein Viertel davon wiederum nimmt allerdings der fragwürdige Futterteller ein, welcher nicht nur absolut schädliches Futter enthält, sondern auch die selbstständige Nahrungssuche einschränkt. Auch wenn auf anderen Bildern der Futterteller inhaltlich besser ist, gibts viele Fehler, die zusammen kommen.
Die restliche Hälfte des Außenbereichs ist mit Rindenmulch und Erde bepudert. Keine Steine, keine Pflanzen, … dieser Bereich hat einfach nichts mit Natur zu tun. Es ist eine absolut naturfremde Umgebung, Bewegungsmangel, Unverträglichkeit und Krankheiten sind hier vorprogrammiert.
Der Boden ist ebenfalls aus Holz. Zwar wird das Material als “wasserabweisend” beschrieben, ob es aber wirklich dauerhaft mit Bodenfeuchtigkeit klar kommt, wag ich zu bezweifeln. Ob die notwendigen Pflanzen dann in diesem winzigen Kasten und beengter Erde wachsen, ist ebenfalls schwer zu glauben.
- Schutz vor Feinden
Das Gitter im Außenbereich ist eine gute Möglichkeit, um vor tagaktiven Feinden zu schützen. Der Zweck ist durchaus erfüllt. Mehr zu den nachtaktiven Feinden s. Schlafbereich
- Schlafbereich
Der Hersteller wirbt damit: “Der wasserabweisende Schlafbereich ist abschließbar.” Abschließbar ist prinzipiell eine gute Sache, denn auch wir empfehlen, die Schildkröten nachts einzusperren, um sie vor nachtaktiven Feinden zu schützen. Das Problem: Dieser Schlafbereich verfügt zwar über ebenerdigen Grabschutz, sodass man zwar verhindern kann, dass die Schildkröten nachts den Bereich verlassen, man verhindert allerdings nicht den Zugang für nachtaktive Feinde, da diese das Material durchaus durchbeißen können. Zur kalten Jahreszeit graben sich die Schildkröten zudem bevorzugt ein und dieser ebenerdige Boden verhindert den natürlichen Grabinstinkt, insbesondere die Russischen Vierzehenschildkröten (Produktbild) graben sehr gern, wo wir zudem zum nächsten Punkt überspringen können:
- Temperaturen
Im Schlafbereich wäre es durchaus möglich, eine sog. Deckelheizung mit Thermostat zu installieren, allerdings wäre eine Dämmung sinnvoll, um die Temperaturen besser halten zu können.
Im Außenbereich bestünde zwar Platz für die Wärmelampe, es fehlt allerdings die Möglichkeit, die Umgebungstemperatur zu regeln und verschiedene Temperaturzonen einzurichten. Es gibt kein Treibhaus und aufgrund der geringen Größe würde es auch keinen Sinn machen, das Gehege so zu pimpen, dass dieses eines erhält. Somit ist es in diesem Gehege nahezu unmöglich, die Temperaturen zu regeln, die die Schildkröten für Gesundheit nutzen können sollten. Sie können sich nicht eingraben, es gibt kein Treibhaus, es ist viel zu klein für verschiedene Zonen.
- Fazit
Das Gehege mag auf den ersten Blick gut durchdacht scheinen, schließlich ermöglicht es im Garten das Profitieren der Sonne und die Schildkröten können nachts sicher im Schlafbereich eingesperrt werden. Genauer betrachtet grenzt es aus unserer Sicht aber an Tierquälerei. Es ist viel zu klein und völlig falsch eingerichtet, nicht (ausreichend) temperiert. Das Gehege zeitweise drinnen aufzustellen, wäre keine empfehlenswerte Option. Schildkröten sollten nicht einzeln gehalten werden, können in Paar- oder Gruppenhaltung sich jedoch hier nicht aus dem Weg gehen. Es ist zu klein, um zu klettern, zu sonnen, auf Nahrungssuche zu gehen. Pure Langeweile, Unterforderung, Bewegungsmangel und unzureichende Temperaturen sorgen langfristig für Unwohlsein, Krankheit und Unverträglichkeit. Die einzige Ausnahme wäre vielleicht, um Schlüpflinge als Notlösung hier unterzubringen, da sie noch versteckt leben, wenig Platz brauchen und im späten Sommer kurz nach dem Schlupf nicht so viel Technik benötigen wie in Frühjahr und Herbst. Es ist allerdings fraglich, ob man für eine befristete, kurze Notlösung 155 € ausgeben möchte, statt gleich in ein richtiges Gehege und Frühbeet zu investieren. Aus unserer Sicht bezahlt man hier dafür, dass Tiere leiden müssen, es ist legale Tierquälerei. Dieses Gehege ist sicherlich besser als ein Terrarium gleicher Größe, hat aber sonst keine Vorteile, weshalb wir dieses grauenhafte Gehege nicht empfehlen würden.
Noch ein paar Worte zum wirtschaftlichen Aspekt und der Auswirkung schlechter Produkte und “Beratungen”
Der ein oder andere mag vielleicht denken “Irgendwie müssen die doch ihr Geld verdienen“. Ja das stimmt, aber eine artgerechte Haltung ist kein Nachteil für die Wirtschaft. Das gleiche Gehege, nur größer, würde nicht nur mehr Geld erwirtschaften, sondern auch das Tierwohl fördern. Und wer sich das nicht leisten kann, sollte vielleicht grundsätzlich von der Haltung absehen, statt an falscher Stelle Gelder aus dem Fenster zu werfen und Tiere drunter leiden zu lassen. Ein Frühbeet statt Terrarium zu verkaufen hätte ebenfalls für die Wirtschaft Vorteile. Statt Fertigpellets anzubieten, kann man wunderbar Wildkräutersamen, Lebendpflanzen und getrocknete Wildkräuter ins Sortiment aufnehmen. Statt Vitaminmix kann man Dolomitkalk für das Gehege und Sepiaschale für die Kalziumversorgung anbieten. Statt Rindenmulch kann man auf das Floragard Schildkrötensubstrat zurück greifen und statt der Bücher aus der GU Reihe kann man auf viele andere gute Autoren und Verlage zurück greifen. Der einzige Unterschied: Das Tierwohl würde gefördert werden. Die Frage, die sich uns stellt ist: Warum wehrt man sich so stark gegen die Förderung einer artgerechten Tierhaltung und beschwert sich zeitgleich über die überfüllten Auffangstationen und ausgesetzten Tiere? Der Knackpunkt all diesen Elends liegt in der Zoofachhandlung. Nicht als alleiniger Verursacher, aber mit einem großen Anteil. All dieser Schrott dort und die miserable “Beratung” sorgen dafür, dass Interessierte sich das Zeugs kaufen, später sich die Tierarztkosten nicht leisten können und aufgrund überfüllter Auffangstation als einzigen Ausweg das anonyme Aussetzen sehen. Aber es ist natürlich leichter, auf die uninformierten Halter zu schimpfen (die genau genommen nicht uninformiert sind, sondern falsch informiert wurden), statt an der Wurzel allen Übels anzufangen, nämlich der Quelle für “Beratung”, Zubehör- und Tierkauf.
Unser Tipp:
- Die Zoofachhandlungen mit artgerechtem Zubehör ausstatten, gute Literatur anbieten
- kein Tierverkauf in den Herbst- und Wintermonaten
- artgerechte Aufklärung und Führerschein (damit meinen wir nicht den klassischen Sachkundenachweis, denn wer eine Schildkröte halten will, braucht nichts über Frösche und Vogelspinnen lernen).
- Hände weg von Terrarien und diesem “Zoomed Schildkrötenhaus”.
Denn am Ende bestimmt die Nachfrage das Angebot und die Tiere müssen Fehlkäufe aushalten. Schildkröten leiden lange und still. Zu behaupten, eine Schildkröte würde sich in diesem Ding wohl fühlen, wäre fern ab jeglicher Realität.
In welchem Gehege würde sich eine Schildkröte wohler fühlen?
vs.
vs.
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Ines Kosin, Präsidentin des Vereins Chüücha
Sehr gern kann Fressnapf, Petzoo oder andere Interessierte Kontakt mit uns aufnehmen, um die Schildkrötenhaltung zu verbessern.
Wer diesen Beitrag und/ oder unsere Arbeiten unterstützen möchte, findet hier die Fördermöglichkeiten.
Zuletzt aktualisiert: 8.09.2023