Von der Ausbildung zum Job, zur Berufung bis hin zur Leidenschaft
Angefangen haben meine beruflichen Gedanken -wie bei ziemlich jedem von uns- im Teenageralter, als man sich Gedanken darüber machte, wo man sein Praktikum absolviert. Mein Kindheitstraum, schon seit Vorschulalter, war es, im Bereich Geburt zu arbeiten. Leider hat man mich im Krankenhaus nicht genommen. Alternativ machte ich ein Praktikum im Kindergarten. Auch wenn die Zeit ganz schön war, so kam es als Arbeitsweg, insbesondere wegen eines damals notwendigen Studiums, nicht für mich infrage.
Aber was nun? Ich war zutiefst traurig.
Eine Notlösung musste her. Meine Großeltern schafften mir einen Praktikumsplatz beim Heilpraktiker und im Kosmetikstudio. Aber nein, das war auch nichts.
Meine Mutter schlug mir Konditorin vor. Ich glaube aber bis heute, dass es eigentlich insgeheim ihr eigener Wunsch war selbst eine zu sein (sie liebte es, Torten zu backen) 😉
Also bewarb ich mich für Praktika als Konditorin, überwiegend im Raum Hamburg, da ich dort zuhause war. Ein Vorladungsgespräch bekam ich zugesagt, doch es stellte sich heraus, man habe nur einen Platz als Verkäuferin frei. Eine zweite Zusage erhielt ich, doch nach 3 Tagen Kellnerarbeit stellte sich heraus, dass auch diese Konditorei davon ausging, ich wolle in diesem Bereich arbeiten. Eine dritte Zusage erhielt ich, diesmal von Sylt. Ich absolvierte dort das Praktikum und es war ganz okay. Klar, die Torten dort haben mich sehr fasziniert, aber von richtiger Leidenschaft war ich weit entfernt.
Zurück zuhause angekommen, machte ich den Ausbildungsplatz fix. Kurz darauf erhielt ich noch eine weitere Zusage von einer Hamburger Konditorei, welche ich jedoch wegen der Zusage auf Sylt absagte.
Im September 2003 begann also mein erster Ausbildungstag. Mich verfolgte ziemlich viel Pech. Die bestellte Berufskleidung war noch nicht angekommen, der Bus kam viel zu spät und ich konnte niemanden telefonisch erreichen. Auch in der Ausbildung selbst war ich ein ziemlicher Tollpatsch. Leider wirkte ich auf meine Kollegen desinteressiert und wurde folglich dessen auch ziemlich mies behandelt. Oft verfolgte mich der Gedanke, abzubrechen und mit meiner Mutter in die Berge nach Bayern zu gehen. Aber was sollte ich dort machen, wenn ich sonst keine Leidenschaft, kein Feuer, keine Fähigkeiten und Potentiale hatte oder kannte? Dazu dann die Sätze wie “Lehrjahre sind keine Herrenjahre” machten alles nicht leichter. Ich weinte fast täglich und bin auch noch 2x durch die Gesellenprüfung gefallen.
Aber wie der “Zufall” es so will, sollte ich meine Leidenschaft nun entdecken. Damals gab es ein kleines schokoladiges Sortiment. Ein paar Tafelschokoladen und mit Nougat gefüllte Meerestiere sowie Hohlfiguren als Fische waren im Sortiment. Kaum einer mochte diese Art der Arbeit. Im Rahmen meiner Ausbildung sollte auch ich irgendwann diese Arbeit lernen. Und ich spürte eine tiefe Verbindung. Freude und Stolz umhüllten mich plötzlich. Aus Tränen, Angst und Verzweiflung wurde nun Lust und Freude. Wann immer die schokoladige Arbeit auf dem Programm stand, meldete ich mich “zu Wort” und durfte damit arbeiten. Auch wenn meine Tollpatschigkeit mich anfänglich weiter verfolgte, so war ich meinen Kollegen unendlich dankbar, trotzdem die Arbeit erledigen zu dürfen.
Im Laufe der Jahre wuchs die Nachfrage und somit die Arbeit. So entstand ein neuer Arbeitsrhytmus, sodass nicht eine kleine Menge zwischen Kuchen, Torten und Gebäck geschoben wurde, sondern erst nach erledigter klassischer Konditorenarbeit die Schokoladenarbeit aufgenommen wurden. Oftmals war für die meisten Feierabend, und ich, entweder allein oder mit 1-2 Kollegen, begann mit Schokolade zu arbeiten. Das Schönste an der Ausbildung waren also tatsächlich die Überstunden, denn in diesen durfte ich mit Schokolade arbeiten.
Die Nachfrage stieg und stieg. Es zogen neue Sorten und Maschinen ein. Irgendwann war es einfach viel zu voll und zeitlich kaum umsetzbar, alles in der normalen Backstube zu erledigen. Und zu meinem “Zufall” bauten die Chefs in wenigen km Entfernung eine Schokoladenmanufaktur, das war im Jahr 2006. Und durch “Zufall” durfte ich ausgerechnet mit meinen zwei Lieblingskollegen dorthin wechseln. Von nun an durfte ich fast täglich nur mit Schokolade arbeiten. Immer, wenn ich in der Backstube arbeiten musste, umhüllte mich schon Tage zuvor tiefe Traurigkeit. Und immer, wenn ich in die Schokoladenmanufaktur durfte, war ich zutiefst dankbar.
Ich schnupperte nun durch allerlei Arbeiten. Tafelschokolade, Trüffeltafeln, Pralinen, Riegel, Schoko Pizza, Hohlfiguren, Marzipantiere, Überziehen von Torten, Nussbruch, Meerestiere.
Zeitweise musste ich sogar (teilweise) bei Schokoladenseminaren mitarbeiten.
Ich konnte somit Vorlieben kennen lernen und spürte, dass Tafelschokoladen, Hohlfiguren und Meerestiere meine Favoriten waren, während Seminare führen eine absolute Schwäche war und Pralinen ganz weit hinten lagen.
Durch “Zufall” begegnete ich eines Tages auf dem Weg von Sylt nach Lübeck, wo meine Berufsschule seinen Sitz hatte, am Hamburger Hauptbahnhof bei McDonalds einem ganz besonderen Mann. Aus einer flüchtigen Begegnung bei der “Strohhalm Station” wurde eine feste Beziehung, eine Ehe und wir wurden zu Eltern geboren. Seit 2005 gehen mein heutiger Mann gemeinsame Wege durch Dick und Dünn.
Inzwischen hatte ich erfahren, dass die Konditorei, dessen Zusage ich “zufällig” ablehnte, in Insolvenz gehen musste.
Nach 4 Jahren Ausbildung, also ein Jahr später als üblich, trug ich endlich den Gesellen Titel und wurde übernommen. Bis zum Jahre 2018 war ich dort Angestellte. Jeden Tag pendelte ich vom Festland mit dem ersten Zug (Abfahrt 4:42 Uhr) auf die Insel, schnallte mir dort meine Inline Skates an und fuhr damit die rund 2km nach Tinnum.
Doch so schön die Natur auf der Insel auch ist und die Fahrt über den Hindenburgdamm bei Sonnenaufgang, so fühlte ich mich trotzdem nicht wohl. Viele der Menschen waren so kühl wie das Wetter, die Züge hatten oftmals Verspätung und so manche Zugfahrt ähnelde einem völlig überfüllten Viehtransport. Ich sagte daher immer, dass ich mich örtlich gern verändern möchte, mich jedoch die Arbeit dort hält. Ich bin vermutlich damit eine Ausnahme. Die meisten würden gern die Arbeit wechseln, aber nicht den Ort 😉 Spaßeshalber spielten wir mit dem Gedanken, uns selbstständig zu machen. Aber wo? Und wie? Wir schrieben ein Konzept und hätten sogar 500.000 € von der Bank dafür erhalten. Aber irgendwas fühlte sich nicht stimmig an.
Wir entschieden uns, uns einfach treiben zu lassen. Wir schauten uns Immobilien an, kalkulierten Preise und besuchten verschiedene Orte.
Im Jahr 2018, im 9. Monat schwanger, beschlossen wir, ein Wohnmobil zu mieten und ohne Ziel 2 Wochen lang umher zu reisen. Wir wussten nur, dass Slowenien ein grober Anhaltspunkt sein könnte. Es war die schönste Reise unseres Lebens, hier fühlten wir wahre Freiheit. Einfach mal dem Herzen folgen fühlte sich wahnsinnig schön an. Wir ließen uns treiben und landeten dann so in der Südoststeiermark.
Von Deutschland aus Immobilien in Österreich zu finanzieren, ohne das Kapital dafür zu haben, stellte sich als absoluter Flop heraus und so sollte es dann doch ein Haus zur Miete sein. Wie es der “Zufall” so will, war es wie folgt. Uns war wichtig, ruhig zu wohnen und einen großen Garten zu haben, wo zudem Tiere erlaubt sind. Jedes Kind sollte ein Zimmer haben, am liebsten sollte der Garten nach Süden zeigen und irgendwo zwischen 5000qm und 1ha groß sein.
Wir durchstöberten zahlreiche Annoncen. Jene ohne Bilder oder ohne (viel) Text mieden wir grundsätzlich. Allein schon aus Protest, wenn ein Makler mit seiner hohen Provision sich nicht einmal diese Mühe macht.
Dann stießen wir auf eine Annonce “ein besonderes Haus für besondere Menschen”. Nur ein Bild, eine Gartenbank war drauf zu sehen. Aber der Text … als wäre er für uns gemacht. Und das, obwohl keine Infos zu Grundstück oder Haus Platz fanden. Wir meldeten uns, … und schauten uns das an. Ein wahres Paradies. Ein altes Haus von 1900, mit Kachelofen, Küchenhexe, Schwimmteich und Platz für all unsere Tiere im nach Süden gerichteten Garten. Nur zwei Wochen später zogen wir ein.
Aber zurück zur Schokolade.
Da wir noch keinerlei Möglichkeiten hatten, die Selbstständigkeit in die Tat umzusetzen, meldete lediglich mein Mann ein Gewerbe an, für sich und seine Marketing und Panoramafotografie. Das, was er bereits seit über 10 Jahren auf Sylt ausübte.
Nur sechs Monate später begann die Coronazeit. Marketing wollte keiner mehr haben, Schokolade zu finanzieren war unmöglich und depressive Phasen wurden zum Alltag.
Ein kleiner Geldsegen sorgte dafür, dass wir 2021 erstes Inventar kaufen und eines unserer Bäder im Haus zur Manufaktur umbauen konnten. Aber die Leidenschaft kam nicht zurück. Durch “Zufall” hatte ich jedoch die Möglichkeit, eine Ausbildung zur Doula zu absolvieren. Also das, was ich damals im Praktikum schon machen wollte. Und dort sprach ich natürlich die Schokolade an. Wir vertieften uns im Träumereien wie Schokoladen mit geburtsfördernden Kräutern zu vermischen.
Aber die Coronazeit machte mir sehr zu schaffen. Nach der Ausbildung und einer wunderschönen Hausgeburt, welche ich begleiten durfte, ebbte die Leidenschaft zur Doula ab. Die zur Schokolade auch.
Doch anscheinend wollte das Universum einfach nur eine Pause. Irgendwann kam meine Leidenschaft zurück. Doch auch wenn in der Herstellung viel Erfahrung vorhanden ist, so fehlt es an Erfahrung im Bereich Verpackung, Design, Vermarktung, Haltbarkeit und vieles mehr. Da wir inzwischen einen Verein gegründet hatten, beschlossen wir, ein Forschungsprojekt anzugehen. So konnten wir neue Sorten kreieren, neue Verpackungsmaterialien testen, die Lagerbedingungen austesten und alle Informationen festhalten.
Aus einem Kindheitstraum rund um das Thema Geburt wurde eine Notlösung als Konditorin. Hier entdeckte ich meine Leidenschaft zur Schokolade und durfte diese in der Sylter Schokoladenmanufaktur tagtäglich ausleben. Da die örtlichen Gegebenheiten mir nicht zusagten, zogen wir 2018 vom Festland vor Sylt ins Südburgenland, wo ich nach ein wenig Pause die Tätigkeit wieder aufnahm. Nun lebe ich meine Berufung in kleinem, aber feinen und liebevollen Stil aus.
Ich bin meiner Mutter dankbar, dass sie mir damals diesen Schubs in die Richtung gegeben hat. Ich bin meinen Großeltern dankbar, dass ich während der Ausbildung dort wohnen durfte.
Ich bin meinem Mann dankbar, welcher mich durch so viele Höhen und Tiefen begleitet hat.
Ich bin meiner Chefin dankbar dafür, dass ich zur Ausbildung genommen wurde, dass ich als “Tollpatsch” übernommen wurde, dass ich ziemlich flexible Arbeitszeiten udn eine gute, übertarifliche Bezahlung genießen durfte.
Wann immer ich schlechte Tage habe, denke ich an den “zufälligen” Weg zur Schokolade zurück. Ich spüre tiefe Dankbarkeit, oft verbunden mit einem herzlichen Lächeln, denn wenn ich es selbst nicht erlebt hätte, würde ich nicht glauben, dass es so viele Zufälle gibt, die dafür sorgen, meinen Weg zu finden, zu gehen und zu leben.
Ich bin stolz drauf, sowohl als Angestellte wie auch aktuell in der Vereinsarbeit meine Beruflung leben zu dürfen.
Vielen Dank an alle, die mich auf diesem Weg begleitet, unterstützt und an mich geglaubt haben !
Ines bei der Arbeit im SüdBurgenland
Von der Ausbildung zum Job, zur Berufung bis hin zur Leidenschaft
Ich bin meiner Chefin dankbar dafür, dass ich zur Ausbildung genommen wurde, dass ich als “Tollpatsch” übernommen wurde, dass ich ziemlich flexible Arbeitszeiten und eine gute, übertarifliche Bezahlung genießen durfte. Wann immer ich schlechte Tage habe, denke ich an den “zufälligen” Weg zur Schokolade zurück. Ich spüre tiefe Dankbarkeit, oft verbunden mit einem herzlichen Lächeln, denn wenn ich es selbst nicht erlebt hätte, würde ich nicht glauben, dass es so viele Zufälle gibt, die dafür sorgen, meinen Weg zu finden, zu gehen und zu leben. Ich bin stolz drauf, sowohl als Angestellte wie auch aktuell in der Vereinsarbeit, meine Berufung leben zu dürfen.